Wolfrik Fischer
Materialexperte und Entwickler von Finnen für River Surfing
Ein Surfunfall 1980, ein Jahrzehnte langes Trauma, die 2002 wiederentdeckte Leidenschaft fürs Surfen am Eisbach, unbezahlbar viele gebrochene Finnen bei der Traumaaufarbeitung – all das gepaart mit den besonderen Fähigkeiten eines professionellen Spezial-Effekters: So entstehen speziell für das Flusssurfen entwickelte Finnen-Shapes in München. Driftwood-Fins. Wolfrik Fischer ist Materialspezialist und gleichzeitig einer der frühen Eisbachsurfer in München: Seit den 70ern, als noch ohne Welle nur mit Holzbrett und Seil gegen die Strömung gesurft wurde. Als Spezial-Effekter für Werbung und Film baut Wolfrik täuschend-echte Dummies und Modelle für Szenen mit Wasser, Feuer, Nebel, Wind und Floor, um z.B. Explosionen oder Überflutungsszenen echt aussehen zu lassen. Jedes Modell wird individuell angefertigt aus Mischungen von Harzen, Gummies, Plastik und anderem. Jedes Modell ein Kunstwerk für sich – genauso wie seine Finnen.
Du hast unter deiner Local Brand Driftwood-Fins spezielle Finnen-Shapes für das Flusssurfen entwickelt. Wie sehen die aus? Als Material um verschiedene Shapes zu entwickeln und Formen zu designen, verwende ich Ureol. Für die Finnen selbst verwende ich eine spezielle Kunststoffmischung. Es ist schwierig, den richtigen Kunststoff zu finden. Da habe ich viel geforscht und getüftelt. Da die gekauften Finnen bei jeder Session am Bach abgebrochen sind, sollte meine erste Eigenentwicklung die weiche, unkaputtbare Finne sein, mit viel Gummianteil drin. Dieses erste Modell war allerdings viel zu flexibel und hat sich einfach beim Fahren völlig verbogen. Klar, gebrochen wäre diese Finne nie, aber Halt hätte sie auch nie gegeben. Also habe ich weitergeforscht mit verschiedenen Mischungen aus Gummi und Kunststoff. Parallel zu der Weichgummientwicklung habe ich den Shape von der berühmten Center-Finne entwickelt. Das war eine schnelle Entwicklung: Die Urform der ECF1 (Eisbachcenterfinne1) entstand aus einer vergossenen Finne – meine Finnen werden allesamt gegossen. Diese vergossenen Finne habe ich einfach Stück für Stück gekürzt und abgeschliffen, so lange bis eine akzeptable, verdammt kurze Finne entstanden war. Die Geburtsstunde der ECF1 war um 2004 rum. Und da hab ich mir gedacht, warum alle nur mit 2 Finnen am Eisbach surfen und jammern, dass man mit 3 Finnen keine richtigen Turns fahren kann, weil der Widerstand einfach zu groß ist. Aber mit meiner neuen kurzen ECF1 könnte es gehen! Weil ich jedoch so versessen drauf war, eine weiche unkaputtbare Finne zu machen (Hintergrund dazu erfahrt ihr im Interview zur Local Brand Driftwood-Fins), hab ich eine kleine Gummifinne im Shape der ECF1 gemacht und Yoho unters Surfbrett geschraubt. Der kam recht schnell wieder aus dem Wasser und meinte nur: „Was isn des für a Scheiss“. Da war klar, dass diese weiche unkaputtbare Gummimischung nicht mehr das Richtige ist. Also habe ich diese ersten Finnen schnell verschenkt. Conni fährt ihre sogar heute noch! Die Form war gut, das fanden auch die Surfer. Aber am Material musste ich neu forschen. Ich habe meine Grundeinstellung über Board geworfen und baute von da an nur noch Finnen, die mal brechen können anstatt sich einfach wegzubiegen. Dafür geben sie enormen halt. Sie sind zwar hart, aber dennoch nicht zu hart und steif, so dass eher die Finne abbricht, als der gesamte Finnenkasten. Denn das ist der Supergau: Wenn der Finnenkasten bricht bedeutet das richtig viel Reparierarbeit und mehrere Tage ohne Surfen. Wenn die Finne bricht, kann man einfach schnell einen Neue einsetzen. Das ist trotz meiner Vorgeschichte (mehr dazu im Interview Local Brand Driftwood-Fins) sehr bald meine Philosophie geworden. Während ich das neue stabile Kunststoffmaterial erforscht habe, habe ich am CAD die ECF1 sauber gestaltet und mit einer CAD-Fräse perfekt gefräst: Das Urmodell ist als positiv gefräst, um eine Gießform aus Silikonkautschuk zu entwickeln. Das ist ja schon immer mein Beruf als Spezial-Effekter. Und in diese Gießform habe ich das neue Kunststoffmaterial gegossen. Dafür habe ich extra ein Eigensystem entwickelt: Eine Kombination aus Überdruck- und Unterdruck-Gießsystem. Und das war dann die ECF1. Das Stecksystem ist FCS-kompatibel. Dann hab ich immer neue Finnen-Shapes entwickelt und getestet. Neue Formen verursachen oftmals erst Verwunderung: Bei vielen Surfern ist das Aussehen des Shapes wichtiger als der Sinn dahinter und das ist sehr eigenartig, vor allem wenn man bedenkt, auf welche Forschungsergebnisse ich gekommen bin: Meine Finnen-Shapes hatte ich mit CAD digitalisiert dank meines CAD-Spezialisten. Dazu hatte ich noch einen dritten Mann an Board, der Ingenieur und natürlich rein zufällig Spezialist für Strömungstechnik ist. Der hat einen digitalen Strömungskanal. Und in diesen digitalen Strömungskanal konnten wir einfach die digitale CAD-Finne reinhängen. Unser digitaler Strömungskanal ist genau dem Eisbach nachempfunden. Und da haben wir gemerkt, dass die ganzen Finnenhersteller sich viel Geld sparen: Weil ein halbseitiges Finnenprofil – die meisten Seitenfinnen sind auf der Innenseite einfach nur plan – bei weitem nicht so geeignet ist wie ein fast symmetrisches, vor allem für das Flusssurfen auf dem Eisbach! Daher war meine erste Seitenfinnenentwicklung ein symmetrischer Finnenshape, wie eine Zenterfinne am Meer. Meine RSF1 (Riversurffin1) war die erste symmetrische Finne. Bei unseren Forschungen im digitalen Strömungskanal sind wir drauf gekommen, dass der Strömungsabriss damit viel viel geringer bzw. später als bei asymmetrischen Shapes ist! Als normaler Surfer im Meer merkt man den Unterschied kaum, weil die Strömungsparameter im Meer ganz andere sind als im Eisbach. Der Unterschied zwischen Bach und Meer ist vor allem, dass im Meer eher Top-to Bottom gefahren wird und damit die Finnen eher in Strömungsrichtung sind, während am Bach immer schräg zur Strömung gesurft wird. Am Eisbach sind schnell mal 250kg bis 300kg Belastung auf den Finnen! Interessant ist, dass in den letzten 3 bis 4 Jahren auch im Meer vermehrt schräg zur Strömung gesurft wird, wenn Surfer auf der Welle entlang pumpen um möglichst viel Speed zu bekommen um einen Fetten Air aus der Welle zu ziehen. Und siehe da: 1 Jahr nach meiner ersten fast symmetrischen RSF1 Entwicklung hat der große Finnenhersteller FCS groß angekündigt, dass sie jetzt etwas ganz neues haben – nämlich fast symmetrische Seitenfinnen. Das war der Gag: Mir, dem Fischer vom Eisbach, hat damals mit meinen symmetrischen Shapes kaum einer geglaubt. Keiner hat mir geglaubt, dass die Finnenhersteller sie bescheißen, weil sie sich die Hälfte des Material pro Finne sparen. Aber jetzt durch den veränderten Fahrstil am Meer merken auch die Meersurfer, dass asymmetrische Finnen nicht so gut für diesen Fahrstil sind. Meine symmetrischen Shapes sind schneller als die asymmetrischen, weil sie weniger Widerstand haben. Die Stabilität ist geringer, dafür sind sie schneller zu turnen am Eisbach. Ich musste also erforschen, wie asymmetrisch eine Finne sein darf, um den perfekten Ausgleich zwischen Geschwindigkeit, Wendigkeit und Stabilität zu garantieren. Der Anstellwinkel der Finne gegen die Strömung am Eisbach muss optimal sein. Und das beschäftigt mich ständig. Das muss ich lösen. Immer wenn ich selbst am Eisbach surfe, versuche ich mit dem hinteren Fuss zu spüren, wie die Finnen wirken. Wie ein Blinder der seinen Weg ertastet – er kommt zwar nicht schnell voran, aber er weiß was unter seinen Füßen passiert.
Am Eisbach sieht man auch immer wieder die ganz besondere Form der SRK-Finne. Was steckt dahinter? Das SRK-Model ist eigentlich ein Seitenfinnenmodell. Daraus ist dann auch die SRKC Centerfinne entstanden, die ein bisschen kürzer und schräger abgeschnitten ist als die SRK-Seitenfinnen. Der Name SRK kommt von „Shark“: Ich habe echte Haifischflossen als Modell verwendet. Ich habe einen ganzen Satz echter Haiflossen in Alk eingelegt aufbewahrt. Der Hai ist einer der schnellsten Fische und er schwimmt am stabilsten und auf der geradesten Bahn – das ist genau die Balance zwischen Geschwindigkeit, Wendigkeit und Stabilität, die ich für meine Surffinnen gesucht habe. Die Seitenflosse des Hai im entspannten gleitenden Zustand. Damit habe ich wieder einmal eine Finne entwickelt, die vom Aussehen her neu ist, aber eigentlich ja schon aus der Natur, nämlich vom Haifisch kommt. Gerry, Yoyo, Michi Mohr und andere haben dieses neue Modell bereits gefahren und daraufhin sehr bald ihre Auffassung vom bloßen Aussehen einer Finne hin zur Funktion geändert. Seit 2 Jahren fahren nun richtig viele Surfer diese neuen Finnen.
Was treibt dich an, warum steckst du da so viel Zeit, Energie und Gedanken rein? Erst war es ja nur reiner Eigennutzen aus meiner Vorgeschichte heraus. Aber dann hat es mich gepackt und ich musste die Entwicklung von Surffinnen einfach genauer erforschen und begründen. Und natürlich die Sache mit dem Tüfteln, Modelle bauen, Materialien testen – das ist der Spezial-Effekter in mir. Verdienen tue ich nichts damit. Da lässt sich kein Geld machen. Das ist eher meine „Social Work“ für den Eisbach, mein „humanitärer Beitrag“ am Bach. Ganz klar, das ist eine Liebhaber-Arbeit für den Eisbach.
Was gibt’s als nächstes von Driftwood-Fins? Der ökologische Aspekt ist mein Zukunftsprojekt: Ein Kunststoff, der aus erneuerbarem Basismaterial entstanden ist. Und das ist Rizinusöl! Der Vorteil ist, dass keine für Lebensmittel verwendbaren Materialen zugrunde gelegt werden. Ein Biokunststoff, der nicht die Grundnahrungsmittel in Entwicklungsländern verdrängt. Biokunststoffe sind noch lange nicht so weit. Da kommt natürlich die Frage, wie stabil sind solche Kunststoffe. Oder kompostierbare Biokunststoffe. Aber die sind leider kontraproduktiv für Surffinnen: Wasser, Temperatur und mechanischer Abrieb – da verrottet dir die Finne schnell unterm Surfboard weg! UV-härtendes Material, das nachwachsend ist, geht auch nicht für Finnen, weil die Finnen ja in eine Form gegossen werden und beim Härten kein UV dran kommt. Außerdem ist dieses Material nicht hart genug, um die 300kg Druck beim Surfen auszuhalten. Und mit 6mm sind Finnen einfach zu dick, als dass das UV bis ins Innere vordringen und aushärten könnte. Das ist also nicht einfach, einen stabilen Biokunststoff für Finnen zu finden. Aber ich bin dran! (Nachtrag der Redaktion: Das Ergebnis findet ihr mittlerweile hier… )
Wie viele Finnensets sind bereits insgesamt am Eisbach im Einsatz? Ich hab nie mitgezählt. Aber Centerfins ca. 300 Stück. Seitenfinnen nicht so viele.